Die gewünschte Stellungnahme kurz am Wochenende formuliert und noch ein Mitarbeitergespräch nach Feierabend geführt – die Arbeitszeit, die Mitarbeiter in einem Unternehmen tatsächlich erbringen, wird nicht immer vollständig erfasst.
Der EuGH, der Europäische Gerichtshof, unterbindet diese Praxis, die in vielen Unternehmen an der Tagesordnung steht, nun. Durch ein Urteil der Richter wurde entschieden, dass eine vollständige Erfassung der Arbeitszeit zum Schutz der Angestellten gewährleistet werden muss.
Diese Arbeitszeiterfassung beinhaltet sowohl Beginn, Pausen, Ende der Arbeitszeit und eventuelle Ruhezeiten. In das nationale Recht wurde das Urteil allerdings noch nicht überführt, weshalb ein allgemeines Arbeitszeiterfassungsgesetz in Deutschland bisher nicht existiert.
Immer mehr Gerichte stützen das Urteil des EuGHs
Doch was bedeutet dieses Urteil für den Geschäftsalltag in Unternehmen? Die Antwort ist nicht eindeutig. Einige Unternehmen berufen sich darauf, dass noch kein bindendes Gesetz zur Arbeitszeiterfassung besteht, andere sehen sich als Arbeitgeber schon jetzt in der Pflicht, eine exakte Erfassung von Arbeits- und Ruhezeiten durchzuführen.
Den Maßstab, der von dem EuGH formuliert wurde, nutzen einzelne Arbeitsgerichte bereits als Grundlage für ihre Entscheidungen. So entschied im Februar 2020 beispielsweise das Arbeitsgericht in Menden, dass Arbeitgeber gegen ihre Pflicht verstoßen, wenn diese keine zugänglichen, verlässlichen und objektiven Zeiterfassungssysteme einrichten.
Ausschlaggebend für dieses Urteil war der Fall eines Bauhelfers, welcher verlangte, dass ihm noch 12,05 Stunden aus dem Jahr 2018 ausbezahlt werden sollten. Als Übersicht über seine mehrwöchige Tätigkeit bei seinem damaligen Arbeitgeber konnte er allerdings nur handschriftliche Notizen vorweisen. Das Gericht ließ das Argument der Beklagten nicht gelten, dass die täglichen Arbeitsstunden des Klägers in einem Bautagebuch dokumentiert worden seien.
Unterschiedliche Möglichkeiten zur Dokumentation der Arbeitszeit
Die Erfassung der Arbeitszeit ist auf verschiedene Arten möglich. Beispielsweise können kostenfreie Apps genutzt werden, ebenso aber auch umfangreiche, festinstallierte Systeme oder SAAS. Möglich ist es darüber hinaus auch, die jeweiligen Zeiten händisch in Tabellen oder Excel-Dateien einzutragen. Eine pauschale Antwort auf die Frage, welche Vorgehensweise die richtige ist, gibt es kaum.
Grundsätzlich kommt es darauf an, dass die Erfassung der Arbeitszeit verlässlich, manipulationssicher und objektiv durchgeführt wird. Die Arbeitgeber und ihre Personal- und Betriebsräte haben die Aufgabe, die passende individuelle Lösung für ihre Branche beziehungsweise ihren Betrieb zu finden.
Dabei profitieren beide Seiten, also sowohl die Beschäftigten als auch die Arbeitgeber, von einer detaillierten und akribischen Erfassung der Arbeitszeit. Schließlich erhalten Unternehmen dadurch einen kontinuierlichen Überblick über die Arbeitsleistung, die ihre Angestellten tatsächlich erbringen, sowie die aktuelle Überstundensituation. Durch eine exakte Erfassung ihrer Arbeitszeit haben Beschäftigte darüber hinaus die Möglichkeit, ihren Arbeitseinsatz stets nachzuweisen. Falls dieser überdurchschnittlich ausfällt, ist dies beispielsweise ein überzeugendes Argument im Zuge von Gehaltsverhandlungen.
Sofern das eigene Unternehmen noch keine fest geregelte Zeiterfassung praktiziert, sollte sich die Belegschaft für eine solche einsetzen. Experten diskutieren aktuell darüber, ob diesbezüglich ein Initiativrecht des Betriebsrates besteht.
Höhere Transparenz durch Arbeitszeiterfassung
Viele Angestellte und Unternehmen befürchten, dass das Urteil zur Zeiterfassung den Spielraum für flexible Arbeitszeitmodelle einschränkt. Allerdings ist diese Sorge unbegründet. Schließlich hat die Zeiterfassung keine Auswirkungen auf Vertrauensarbeitszeit, Vereinbarungen zu mobilem Arbeiten oder Gleitzeitregelungen.
Vielmehr wird durch die Arbeitszeiterfassung schnell transparent, wenn es zu einem Verstoß gegen bestehende Arbeitsschutzbestimmungen kommt.
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